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Prozess- und Verfahrenskostenhilfe


I. Allgemeines

Die Prozesskostenhilfe / Verfahrenskostenhilfe stellt eine Sonderform der Sozialhilfe im Bereich der Rechtspflege dar. Sie dient dem Ziel, auch der wirtschaftlich schwächeren Partei in einer dem Gleichheitsgebot entsprechenden Weise Zugang zum Recht zu verschaffen. Prozesskostenhilfe / Verfahrenskostenhilfe kann in allen zivilprozessualen Streitigkeiten sowie eine Reihe weiterer Verfahren beantragt werden. Die gesetzliche Grundlage der Prozesskostenhilfe / Verfahrenskostenhilfe findet sich in den §§ 114 ff. ZPO, 76 FamFG.


II. Voraussetzungen

Die Gewährung von Prozesskostenhilfe / Verfahrenskostenhilfe setzt gemäß § 114 ZPO voraus, dass die Partei nach ihren wirtschaftlichen und persönlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann. Nach § 115 ZPO hat die Partei zur Prozessführung ihr Einkommen einzusetzen. Hierzu gehören alle Einkünfte in Geld und auch Geldreserven, vermindert um die in § 115 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 ZPO aufgeführten Positionen. Darüber hinaus hat die Partei auch ihr Vermögen einzusetzen, soweit ihr dies zumutbar ist.


Die Bewilligung der Prozesskostenhilfe / Verfahrenskostenhilfe setzt weiter voraus, dass die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg hat. Eine derartige hinreichende Erfolgsaussicht liegt vor, wenn das Gericht den Rechtsstandpunkt des Antragstellers aufgrund seiner Sachdarstellung und der vorhandenen Unterlagen für zutreffend oder zumindest vertretbar hält und in tatsächlicher Hinsicht mindestens von der Möglichkeit der Beweisführung überzeugt ist (BGH, Urteil v. 21.1.1994, V ZR 238/92, NJW 1994 S. 1161).

Aufgrund einer summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage muss es möglich sein, dass der Antragsteller mit seinem Begehren Erfolg hat. Diese summarische Prüfung umfasst die Erfolgsaussicht der Rechtsverfolgung durch den Kläger. Hier werden vom Gericht zunächst die Prozessvoraussetzungen geprüft. Darüber hinaus wird geprüft, ob die Klage schlüssig ist, wobei auch Verteidigungsmöglichkeiten des Gegners berücksichtigt werden. Eine Erfolgsaussicht der Rechtsverteidigung des Beklagten ist nur dann gegeben, wenn die Klage unschlüssig ist oder wenn der Beklagte Tatsachen vorträgt, die zur Klageabweisung führen können.


Die Rechtsverfolgung oder die Rechtsverteidigung darf selbstverständlich nicht mutwillig sein. Mutwilligkeit wird dann bejaht, wenn eine verständige, nicht hilfsbedürftige Partei ihre Rechte nicht in gleicher Weise verfolgen würde.


III. Antrag

Prozesskostenhilfe / Verfahrenskostenhilfe wird nur auf Antrag gewährt. Ein Rechtsanwaltszwang besteht dazu nicht. Der Antrag ist bei dem für den Rechtsstreit zuständigen Gericht zu stellen.

Der Antrag kann zwar auch isoliert und ohne gleichzeitige Klageerhebung gestellt werden. Empfehlenswerter ist es jedoch, das Prozesskosten- bzw. Verfahrenskostenhilfegesuch mit der Klage bzw. Klageabweisung verbunden einzureichen.

Der Antrag ist auf dem vorgesehenen Formular zu stellen und mit den Nachweisen als Anlagen zu versehen, er ist in zweifacher Ausfertigung zu erstellen und zu unterschreiben.


IV. Entscheidung

Soweit Prozesskostenhilfe / Verfahrenskostenhilfe beantragt wird, entscheidet das Gericht über die Gewährung in Ansehung oben genannten Voraussetzungen.

Die Prozesskostenhilfe / Verfahrenskostenhilfe bei vollständig mangelnden wirtschaftlichen Möglichkeiten ohne Ratenzahlung bewilligt werden, Sie kann aber auch mit monatlichen ratenweisen Rückzahlungsauflagen verbunden sein, deren Höhe das Gericht festsetzt; letztes ist zumeist der Fall, sodass die Prozesskostenhilfe / Verfahrenskostenhilfe faktisch als staatliches Darlehen zur Verfahrensführung betrachtet werden kann.

Die Rückzahlung der Prozesskostenhilfe / Verfahrenskostenhilfe erstreckt sich längstens auf einen Zeitraum von 48 Monaten bzw. bis zur vollständigen Rückzahlung der entstandenen Kosten.


V. Wirkung

Wird Prozesskostenhilfe / Verfahrenskostenhilfe gewährt, können rückständige und entstehende Gerichtskosten, Gerichtsvollzieherkosten und übergegangene Ansprüche der beigeordneten Rechtsanwälte von der Staatskasse gegen die Partei nur nach Maßgabe der Bestimmung durch das Gericht geltend gemacht werden. Der beigeordnete Rechtsanwalt kann seine Vergütungsansprüche insoweit nicht gegen die Partei geltend machen, sondern nur gegenüber der Staatskasse.

Damit können die eigenen Kosten des Verfahrens (eigene Anwalts- und Gerichtskosten) von der Prozesskostenhilfe / Verfahrenskostenhilfe getragen werden.


VI. Verbleibende nicht gedeckte Kosten

Die Bewilligung von Prozesskosten ändert nichts daran, dass die unterlegene Partei die dem Gegner entstandenen Kosten zu erstatten hat (§ 123 ZPO). Diese werden von der Prozesskostenhilfe / Verfahrenskostenhilfe nicht gedeckt. Das bedeutet, dass Sie die Kosten der Gegenseite insoweit selbst tragen müssen, als dass diese im Rechtsstreit obsiegt und einen Kostenerstattungsanspruch gegen Sie hat. Die Prozesskostenhilfe / Verfahrenskostenhilfe deckt damit nicht sämtliche Kosten des Verfahrens ab und gestaltet den Rechtsstreit für Sie nicht völlig risikofrei.


VII. Selbständige Mitteilungspflichten - spätere Überprüfung durch das Gericht


1. Mitteilungspflichten und Überprüfung

Das Gericht prüft die Pflicht zur Rückzahlung der Prozesskostenhilfe / Verfahrenskostenhilfe oder eine nachträglichen Änderung der Ratenhöhe turnusmäßig, sodass der Antragsteller verpflichtet ist, jede Wohnort- und Adressenänderungen dem Gericht mitzuteilen sowie auf Anforderung die aktuellen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse erneut mitzuteilen und zu belegen und das dazu vorgesehene Formular auszufüllen und einzureichen.


Auf dem Weg der Überprüfung kann eine einmal getroffene Bewilligung nicht korrigiert werden - es darf aber eine Anpassung an Fakten erfolgen, die sich neu ergeben haben. Auch darf der Grundsatz der 48-Monatsraten-Grenze nicht verletzt werden - eine zeitliche Ausdehnung der Ratenzahlung darf daher darüber hinaus nicht erfolgen. Wird eine Zahlung aus neu hinzugewonnenem Vermögen angeordnet, muss genau angegebene werden, wie hoch eine solche Zahlung zu sein hat.

Eine Abänderung darf nur erfolgen, wenn eine Änderung Ihrer persönlichen finanziellen Möglichkeiten auch wirklich eingetreten ist. Nur alleine die Aussicht auf eine Änderung bei Ihnen rechtfertigt keine Abänderung. Auch darf die Abänderung nicht rückwirkend geschehen - sie darf sich nur auf die Zukunft ausrichten. Nur ausnahmsweise kann eine Abänderung auch rückwirkend erfolgen, wenn sich Ihre finanzielle Situation verschlechtert hat und Sie daher die Raten nicht gezahlt haben und Sie gleichzeitig nachvollziehbar begründen können, warum Sie das Gericht nicht über die Verschlechterung Ihrer finanziellen Situation rechtzeitig informiert haben.


2. Mitteilungspflicht

Mit der Beantragung von Prozesskostenhilfe / Verfahrenskostenhilfe unterschreiben Sie gleichzeitig eine Erklärung, dass Sie das Gericht über alle Veränderungen die Angaben in Ihrem Antrag betreffend zeitnah informieren werden, also auch über Änderungen bei Ihrem Einkommen, Ihren Vermögensverhältnissen, Wegfall von Belastungen, z.B. Unterhaltspflichten. Ihre Mitteilung kann prinzipiell formlos erfolgen. Das Gericht kann Sie aber auffordern, das Antragsformular mit den aktuellen Angaben neu auszufüllen. Gemäß § 120 a Abs. 1 Satz 3 ZPO müssen Sie auf Verlangen des Gerichts jederzeit erklären, ob eine Veränderung der persönlichen oder wirtschaftlichen Verhältnisse eingetreten ist. Gemäß § 120 a Abs. 4 Satz 1 ZPO müssen Sie für diese Erklärung das gemäß § 117 Abs. 3 ZPO eingeführte Formular (“Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse”) benutzen.

Kommen Sie einer solchen Aufforderung nicht nach, führt das zum Wegfall der genehmigten Prozesskostenhilfe / Verfahrenskostenhilfe (Aufhebung). Auch von sich aus kann das Gericht Sie in regelmäßigen Abständen auffordern, Ihre Angaben neu zu machen. Die Häufigkeit kann variieren, aber Aufforderungen alle 3 Monate sind nicht als zu häufig anzusehen und sind von Ihnen hinzunehmen, insbesondere dann, wenn seitens des Gerichts der offensichtliche Verdacht gegen Sie besteht, dass Sie der Meldepflicht nicht selbstständig zeitnah nachkommen.


Alles Geld und Vermögen, dass Ihnen während oder durch den mittels Prozesskostenhilfe / Verfahrenskostenhilfe geführten Prozess zugeht und nicht unter das Schonvermögen fällt, müssen Sie zuerst zur Deckung Ihrer Prozesskosten aufwenden - egal, ob Sie vorher schon Raten gezahlt haben oder nicht oder schon Zahlungen aus Ihrem Vermögen leisten mussten. Ausnahmsweise möglich wäre, wenn Sie das Geld stattdessen zur Abzahlung von Schulden verwenden, die Ihnen schon in der Prozesskostenhilfe- / Verfahrenskostenhilfe-Bewilligung als besondere Belastungen anerkannt worden sind.

Geben Sie dieses Geld aus oder verschenken es, müssen Sie sich so behandeln lassen, als ob Sie es noch besitzen würden. Daher ist zu raten, jeden Zugewinn an Geld und Vermögen zuerst immer dem Gericht mitzuteilen und ihn nicht selbsttätig für andere Positionen ausgeben.


Nicht nur einmalige Einkommensänderungen ab 100 € müssen dem Gericht angezeigt werden (ZPO § 120 a Abs. 2 S. 2). Unerheblich dabei ist, ob es sich diese Veränderung aus einem Posten oder aus der Summe mehrerer Veränderungen ergibt (z.B. Verdienstzunahme 30 Euro/Monat und Ende einer als besondere Belastung anerkannten monatlichen Ratenzahlung von 72 Euro). Gleichermaßen kann die Einkommensveränderung auch ausschließlich durch den Wegfall von monatlichen Belastungen entstehen.

Eine Einkommensänderung besagt jedoch nicht, dass sich daraus automatisch eine Abänderung der Prozesskostenhilfe- / Verfahrenskostenhilfe-Bewilligung ergibt. Zu einer solchen kommt es nur, wenn die Neuberechnung des Freibetrags dies anzeigt und die Einkommensänderung als wesentlich anzusehen ist. Als wesentlich wird aktuell eine Veränderung von 10% angesehen.

Ändert sich Ihr monatliches Einkommen, weil Sie neue, regelmäßige Verpflichtungen eingehen, z.B. eine neue Versicherung abschließen, hängt die Anrechnung davon ab, ob die Ausgabe zur Sicherung Ihrer Existenz unbedingt nötig gewesen ist. Ein mögliches Beispiel, wo dies in Anrechnung gebracht werden kann, ist der Abschluss einer Rentenversicherung zur Absicherung des Existenzminimums im Alter.


Adressänderungen müssen Sie selbstständig anzeigen.

Ändern sich Ihre Freibeträge, beispielsweise weil eines Ihrer Kinder nach einem Geburtstag in eine neue Altersgruppe hinsichtlich der Freibeträge bei Kindern fällt oder aufgrund der alljährlichen Anpassung der Freibeträge im Prozesskostenhilfe- / Verfahrenskostenhilfe-Beschluss, führt dies nicht automatisch zu einer Abänderung Ihrer Bewilligung. Durch eine Veränderung Ihrer Freibeträge kommt es nur dann zu einer Abänderung Ihrer Bewilligung, wenn Sie einen Antrag darauf stellen und wenn die errechnete Abänderung zu einer wesentlichen Änderung der Bewilligung führen würde. Wesentlich wäre die Änderung beispielsweise, wenn die ursprünglich angeordnete Ratenzahlung entfiele.


3. Versäumung der Mitteilung

Versäumen Sie es, das Gericht über eine nicht nur einmalige Einkommensänderung, insbesondere über Einkommensverbesserungen, zu informieren, kann das zur vollständigen Aufhebung der Bewilligung und Rückzahlungspflicht führen. Daher ist Ihnen zu empfehlen, das Gericht möglichst über jede Änderung zu informieren. Problematisch ist dies insbesondere bei Selbstständigen, da deren Einkommen meist großen Schwankungen unterworfen ist. Eigentlich soll hier der schon bei der Beantragung angewendete Referenzzeitraum von einem Jahr maßgeblich sein. Besser für Sie ist aber, Sie sprechen diese Problematik mit dem zuständigen Gericht ab und dokumentieren diese Absprache.


4. Überprüfungs- und Änderungszeitraum

Eine Abänderung Ihrer Prozesskostenhilfe- / Verfahrenskostenhilfe-Bewilligung ist bis 4 Jahre nach Abschluss des Rechtsstreits möglich. Das Ende des Rechtsstreites tritt ein, wenn alle Instanzen, Nebenverfahren eingeschlossen, beendet sind oder das Verfahren ruht. Nicht sicher geklärt ist, ob das Änderungsverfahren bis zu diesem Termin abgeschlossen sein muss oder ob bis spätestens zu diesem Termin das angestrebte Änderungsverfahren eingeleitet worden sein muss. Allgemein wird aber davon ausgegangen, dass, wenn Sie keine Verzögerung herbeiführen, das Abänderungsverfahren bis zu diesem Zeitpunkt abgeschlossen sein muss.

Ihre Mitteilungspflicht endet ebenfalls erst nach 4 Jahren.


5. Einwände

Sind Sie mit einer Änderungsentscheidung nicht einverstanden, können Sie sich dagegen durch Einlegen einer sofortigen Beschwerde (Notfrist 1 Monat) wehren (ZPO § 127 Abs. 2).


VIII. Versagung der Prozesskostenhilfe bzw. Verfahrenskostenhilfe

Lehnt das Gericht die Bewilligung von Prozesskostenhilfe bzw. Verfahrenskostenhilfe ab, müssen Sie die Prozesskosten selbst tragen. Dazu gehört, dass Sie die vom Gericht angeforderten Prozesskostenvorschüsse, Gutachtervorschüsse, Zeugenvorschüsse etc. fristgerecht einzahlen müssen und ggf. nach Verfahrensende noch ungedeckte Kosten ausgleichen müssen. Fernertragen Sie die eigenen Anwaltskosten selbst. Im Fall des Unterliegens bzw. in dessen anteiliger Höhe müssen stets auch die Kosten der Gegenseite tragen (Ausnahme arbeitsgerichtliche Verfahren bis zur 1. Instanz).

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